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Tinnitus

"Nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort, ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu."
Ludwig van Beethoven (1770-1827), Brief vom 29. Juni 1801 an Dr. Franz G. Wegeler


Marc Aurel, Martin Luther, Phil Collins, Bill Clinton…, sie alle haben gemeinsam, dass sie unter einem schwer erträglichen Ohrgeräusch litten oder auch noch aktuell davon beeinträchtigt sind. Der Komponist Bedrich Smetana (1824-1884) hat den von ihm wahrgenommenen Ton auch klanglich zur Darstellung gebracht, und zwar in seinem Streichquartett Nr.1 e-moll "Aus meinem Leben", bei dem im vierten Satz (Vivace) ein viergestrichenes E der ersten Violine über einem düsteren Tremolo erklingt.
Der Tinnitus (lat. tinnire – klingen, erklingen) kann tonal – als nach Frequenz und Lautstärke bestimmbarer Ton – oder auch nicht tonal als Rauschen, Brummen, Sirren, Kreischen empfunden werden. Häufig ist er Begleitung bzw. Residuum eines Hörsturz. Ungefähr jeder fünfte erlebt in seinem Leben einen Tinnitus von längerer Dauer, einer von 200 Menschen leidet unter einem so schwer ausgeprägten Tinnitus, dass sein Leben sehr stark beeinträchtigt ist. Möglicherweise tritt dann neben eine dauernde Beeinträchtigung im geistigen, emotionalen und körperlichen Bereich auch eine massive psychische Dekompensation mit sog. Komorbiditäten wie Schlafstörungen, Depressionen bis hin zur Suizidalität (dann Tinnitus Grad 4). Zum Glück bleibt es bei den meisten Patienten bei einem Gestörtsein vor allem in Stresssituationen und bei psychisch-physischen Belastungssituationen (Tinnitus Grad 1 und 2).
Ein Tinnitus gilt bis zum Ablauf von 3 Monaten als akut. Ab dem dritten Monat sind verschiedene Aspekte einer Zentralisation zu beobachten, vereinfacht gesagt, das Ohrgeräusch wird vom Gehirn "gelernt". Der Tinnitus ist spätestens dann auch ein neurophysiologisches Geschehen. Man spricht dann auch von einem chronischen Tinnitus.

Wie gestaltet sich die Behandlung eines Tinnitus im Akutstadium?
Auch hier erfolgt – wie beim Hörsturz – eine Initialbehandlung mit (hochdosierten) Glukokortikoiden. Neben den übrigen begleitenden Behandlungsmodalitäten des Hörsturz (siehe dort) empfiehlt sich insbesondere ein sog. Counseling, bei dem man u.a. versuchen sollte, negative Einstellungen des Patienten gegenüber dem Ohrgeräusch aufzusuchen und durch andere konstruktive Einstellungen zu ersetzen.
Bei ausbleibendem Erfolg können auch hier Behandlungen mit Akupunktur oder Neuraltherapie wertvolle Dienste leisten und eine Verbesserung bzw. ein Verschwinden des Ohrgeräusch bewirken.

Was ist bei der Behandlung des chronischen Tinnitus zu beachten?
Auch bei einem chronischen Tinnitus ist nicht ganz auszuschließen, dass das Ohrgeräusch mit der beim akuten Tinnitus häufig zur Anwendung kommenden Therapie (Kortison-Infusionen) sogar ganz verschwindet. Dies ist aber doch insgesamt sehr selten zu beobachten. Häufiger finden sich in diesem Stadium Verbesserungen von Lautheit und Belastung durch Akupunktur/Neuraltherapie, aber auch osteopathische Übungsbehandlungen der Wirbelsäule. Neben aufwendigen Verfahren wie hyperbare Sauerstofftherapie, Plasma-Apherese und Magnetresonanz oder Tinnitus Retraining Therapie (unter Hinzuziehung eines sog. Noiser) zeichnen sich in schwierigen Fällen von chronisch-tonalem Tinnitus auch gute Behandlungsmöglichkeiten mit der sogenannten Akustischen Neuromodulation (ANM) ab, deren bisherige Ergebnisse in Studien dieses Verfahren erfolgversprechend erscheinen lassen.

Wie funktioniert die akustische Neuromodulation (ANM)?
Nach erfolgtem Ausschluß anderer behandlungsfähiger und ausschaltbarer Tinnitusursachen - z.B. Akustikusneurinom, Absetzen ototoxischer Medikamente - kann bei einem chronisch-tonalen Tinnitus zwischen 200 Hz und 10 kHz durch die Präsentation von akustischen Signalen über einen kleinen Kopfhörer über 4-6 Stunden täglich (dabei auch während dem Fernsehen, Einkaufen, Kochen oder Ruhen zu tragen gut möglich) eine z.T. deutliche Reduktion der Beeinträchtigung durch das chronische Ohrgeräusch zu verzeichnen sein.

Bislang ergibt sich folgende Studienlage:
In einer explorativ angelegten sog. RESET-Studie mit zunächst 63 Patienten – prospektiv, randomisiert und einfach verblindet – zeigten sich nach einer 3 Monate dauernden Behandlung mit der ANM bei ca. 50% der Patienten zum Teil deutliche Verbesserungen hinsichtlich Lautheit und Belastung. Nach einem Zeitraum von 6 Monaten ist dies schon bei 66% und nach 9 Monaten sogar bei 75% der mit der ANM behandelten Tinnitus-Patienten der Fall gewesen.
In der sich anschließenden sog. RESET Real-Life-Studie in 23 HNO-Facharztpraxen mit 152 Patienten, welche unter chronisch-tonalem Tinnitus litten, ergab sich, dass bei einer Tragedauer des ANM-Stimulator von täglich 4-6 Stunden über 6 Monate hinweg sich bei 71% der Patienten über alle Tinnitus-Schweregrade hinweg Verbesserungen von mindestens 2 Punkten nach dem Tinnitus-Beeinträchtigungs-Fragebogen (TBF-12) feststellen liessen. Dies geschah dabei unabhängig von der bisherigen Dauer des Tinnitus.

Für die Funktionsweise der ANM grundlegend ist die Erkenntnis, daß zumindest der chronische Tinnitus ein v.a. neurophysiologisches Krankheitsbild darstellt mit entsprechenden Veränderungen im auditorischen Kortex und anderen tinnitusassoziierten Hirnarealen. Im auditorischen Kortex zeigt sich dabei eine den chronischen Tinnitus ausmachende krankhafte Synchronizität der Nervenzellen. Mit gezielten akustischen Impulsen, die zeitlich und räumlich koordiniert über das Ohr an den auditorischen Kortex abgegeben werden, wird das krankhaft hochsynchrone Netzwerk der Nervenzellen im auditorischen Kortex wieder aus dem Takt gebracht. Diese Desynchronisation erfolgt über die Impulse der akustischen CR-Neuromodulation, welche über das Gehör als sanfte, zeitlich und räumlich koordinierte Stimulation vermittelt wird. Die Töne der ANM liegen nur knapp über der Hörschwelle und schränken die Patienten im Alltag nicht ein. Die Therapie mit der ANM ist gut handhabbar und einfach in den Tagesblauf zu integrieren.

Dieses Verfahren der Akustischen Neuromodulation wird in der Praxis angeboten.

Insgesamt günstig, zumindest für die Belastung von Tinnituspatienten durch ein Ohrgeräusch, wirken sich Entspannungsverfahren aus. In Frage kommen Autogenes Training, Yoga, Qui-Gong oder die leicht zu erlernende progressive Muskelrelaxation nach Jacobson.

Ausgeschlossen werden sollte eine gnatogene Ursache von Ohrgeräuschen, denn durch Verspannungen der Kaumuskulatur, welche oftmals mit einer sog. craniomandibulären Dysfunktion einhergehen, können ebenfalls Ohrgeräusche verursacht werden. Durch den Zahnarzt sollte dann der Biß überprüft werden und bei nächtlichem Zähneknirschen eine Bissschiene getragen werden.

Von hausärztlicher oder internistischer Seite wäre es sinnvoll, die Schilddrüsenfunktion und die Blutfette sowie den Blutdruck zu überprüfen.

Nicht zuletzt kann eine Stoffwechseloptimierung wie z.B. mit dem Programm "metabolic balance" sich günstig auf das komplexe Geschehen eines chronischen Tinnitus auswirken.

HNO-Praxis im Härtingerhaus | Dr. med. Wolf-Dietrich Tillner | Obere Hauptstr. 26 | 85354 Freising | Tel: 08161 - 3018